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Werte -Das Rückgrat unserer Gesellschaft 8. Teil

Verbindlichkeit/Verlässlichkeit – Verbindet und gibt Sicherheit (Vertrauen)

Da es hier eine spannende und feine Unterscheidung gibt, die Werte aus meiner Sicht jedoch zusammengehören, sollten wir uns die Mühe machen, uns intensiver mit diesen beiden Werten auseinanderzusetzen.

Seit vielen Jahren stelle ich immer wieder fest, dass es zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehört, sich auf Gemeinschaft, Familie, Freundschaft und den Partner verlassen zu können. Das entspricht in der Maslowschen Bedürfnispyramide der zweiten Stufe, dem Sicherheitsbedürfnis. Sich verlassen zu können bedeutet Sicherheit. Sich auf Aussagen und darauf folgende Handlungen verbindlich verlassen zu können, heißt Sicherheit.

Kurz: Verbindlichkeit und Verlässlichkeit sind die Zutaten des großen Überbegriffˋs Vertrauen!

Verbindlichkeit

  • Wesenskern: Haltung und Selbstverpflichtung.
  • Verbindlichkeit bedeutet, dass ich klar sage, was ich tue oder nicht tue – und damit eine Verbindungsbrücke zwischen mir und den anderen schaffe.
  • Es hat stark mit Zusage, Klarheit und Verantwortung zu tun.
  • Beispiel: „Ich verpflichte mich, bis Freitag das Konzept zu liefern.“ Hier geht es darum, dass ein Versprechen bewusst gegeben wird, also eine bewusste Bindung entsteht.
  • Verbindlichkeit als Wert ist ein Bekenntnis: Ich stehe zu meinem Wort, und ich scheue nicht davor zurück, Verantwortung zu übernehmen.

Verlässlichkeit

  • Wesenskern: Vertrauen und Beständigkeit.
  • Verlässlichkeit bedeutet, dass andere sich darauf verlassen können, dass ich tue, was ich angekündigt habe auch ohne ständige Kontrolle.
  • Es hat stark mit Kontinuität, Stabilität und Vertrauen zu tun.
  • Beispiel: „David ist verlässlich wenn er etwas übernimmt, wird es erledigt.“ – Hier geht es um die praktische Erfahrung, dass Zusagen tatsächlich eingehalten werden.
  • Verlässlichkeit als Wert ist ein Versprechen: Du kannst auf mich zählen – nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Kurz gesagt:

  • Verbindlichkeit = das aktive, klare Geben eines Versprechens.
  • Verlässlichkeit = das Einlösen dieses Versprechens in der Realität.

Was bedeutet das für den Erfolg von Führungskräften (Leadern) und damit auch von Unternehmen.

Unternehmen sind komplexe Organismen, die auf gemeinsamer, zielgerichteter und ergebnisorientierter Aktion basieren. Damit Erfolg entstehen kann, müssen nicht nur alle möglichst in die gleiche Richtung schauen, sondern sich auch aufeinander verlassen können.

Jeder hat es in der Hand

Es ist nicht die „Führung“, der „Chef“, der „Staat“ oder eben „der Andere“. Es bin immer ICH selber mit meiner Haltung und Einstellung.

Als Leader erlebe ich immer wieder, dass gewisse Menschen alles dafür tun, damit man sich eben nicht aufeinander verlassen kann. In der Pflege zum Beispiel zeigt sich das besonders deutlich am Phänomen der Krankmeldungen. Es gibt sie diese Wellen von Ausfällen, so lange ich denken kann. Ehe man sich versieht, liegen in einer 80-Betten-Einrichtung 13 oder 14 Krankmeldungen vor. Dabei kann man, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, davon ausgehen, dass ein Teil der Betroffenen nicht wirklich krank ist. Das sind Mitläufer, Mitnehmer, die sich bewusst auf dem Rücken ihrer Teamkollegen ausruhen. Das war vor 35 Jahren so und ist auch heute nicht wirklich viel anders. Gleichwohl, das „Warum“ dahinter das ist nach wie vor spannend.

Statistik:

Altenpflege hat im Durchschnitt ca. 33 Tage AU/Jahr. Lehrer sind im Durchschnitt 29,7 Tage AU/Jahr. Der Rest der Gesellschaft liegt bei ca. 18 Tage AU. Es ist somit nicht nur ein Pflegetypisches Thema, sondern betrifft auch andere Branchen gleichermaßen.

Warum ist das so? Zum einen liegt es, in der Pflege, an der schweren Arbeit, ohne Frage. Dazu kommen jedoch auch andere Faktoren, wie zum Beispiel die zunehmende „Mitnahmementalität“, das vererbte Opfergehabe und der zunehmend Mangel an guten Arbeitskräften am Markt. Ich beobachte als Unternehmensberater, Betreiber und Pflegefachkraft seit nunmehr bald 35 Jahren diese Branche und kann und darf mir ein Urteil erlauben. Bei den Lehrerberufen ist der Lehrermangel sicherlich auch mit den zum Teil an den knappen Ressourcen zu begründen. Auch dieser Beruf ist hart und braucht starke Nerven. Heute wahrscheinlich mehr als gestern.

Mit zunehmender Erkaltung im Umgang miteinander ist es dem einen oder anderen schlicht egal, was mit den Kollegen wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich als empathisch bezeichnet, im gelebten Miteinander aber das genaue Gegenteil ist. Vor allem in der Pflege, aber auch in anderen Branchen, hat sich über die vielen Jahre des Missbrauchs an den Pflegekräften, Indurstiearbeitern, Lehrern und Handwerkern, diese Mentalität herausgebildet, das Beste und Meiste für sich mitzunehmen, man hat es sich ja schließlich verdient. Mit Verlässlichkeit oder Verbindlichkeit hat das nichts zu tun. Vertrauen wird dadurch massiv zerstört und zwingt Arbeitgeber heute dazu, wieder restriktive Maßnahmen einzuführen. Das ist, da machen wir uns nichts vor, das völlige Gegenteil von dem, was wir eigentlich in der Welt des Leadership angestrebt haben. Ich stelle immer wieder fest: Viele Menschen sind noch nicht reif für einen Umgangsstil des Vertrauens, der Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Das Team kann sich eben nicht verlassen! Und wirklich arbeitstechnisch Mißbraucht wurden die älternen unter uns. Mein Jahrgang und älter. Heute kann von wirklichen Mißbrauch aus Prinzip kaum noch in diesem Maße die Rede sein. Der Übertrag von Opferhaltung und völliger Überarbeitung auf die jungen Generationen und Mitarbeiter heute, ist spürbar und er ist da. Einen Grund zu jammern haben jedoch bei weiten nicht mehr alle.

Jedem muss klar sein, dass die Gesellschaft, das Unternehmen und jeder Einzelne für Leistungen in der Pflege, in der Bildung und Handwerk bezahlt und zwar sehr gut. Das bedeutet: Eine examinierte Pflegefachkraft zum Beispiel kostet den Arbeitgeber und damit die Gesellschaft ca. 5.400–7.000 € je nach Träger, Betriebszugehörigkeit und Bundesland. Das wiederum heißt: Eine Produktivstunde kostet rund 35€, wenn die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter immer anwesend wäre. In Vollkosten liegen wir mittlerweile bei 65–80 € pro Pflegestunde. Fallen Mitarbeiter aus, werden krank oder entziehen sich anderweitig der Arbeit, steigen die Kosten für den Arbeitgeber und damit für die Gesellschaft weiter und weiter.

Ich bin immer ein Kämpfer für die Rechte der Pflegekräfte gewesen, was ich heute erlebe, macht mich und nicht nur mich oft fassungslos.

Hier geht es zu einem früheren Blogbeitrag, der sich mit den Pflegekräften ansich auseinander setzt:

Beweis für meinen Kampf für die Pflegekräfte! Ein wunderbarer Beitrag von mit meiner wunderbaren Kollegin Vincenza Marino…danke für alles!

Krankquoten steigen und steigen und es liegt nicht nur am Arbeitgeber oder den schlechten Rahmenbedingungen. Nein es liegt auch an zwei weiteren wichtigen Faktoren:

  1. Der gesetzlichen Konsequenzlosigkeit! Egal wie oft ich krank mache, mir passiert nichts. Arbeitgeber/Gesellschaft haben kaum eine Handhabe. Krank ist so leicht und so luckrativ! Hier muss angesetzt werden! Arbeitgeber verlieren nahezu immer vor dem Arbeitsgericht, wenn es um AU geht. Arbeitszeugnisse dürfen in Deutschland nicht die Arbeitsleistung wiederspiegeln sondern müssen immer eine 1-2 als Note haben, egal wie schlecht ein Mitarbeiter auch ist. Wirklich fallen kann man in unserem Land auch nicht. Geld fließt irgend wie immer, es muss halt nur zum eigenen Anspruch passen.
  2. Der massvien Unterdeckung an Personal. Der Personalmangel versetzt zum Beispiel Pflegekräfte in eine Machtposition, mit der sie nur sehr schlecht umgehen können. Das merkt jeder ernsthafte Arbeitgeber sehr schmerlich. Da wird gefordert, erpresst und gewechselt was das Zeug hält und wir Geschäftsführer stehen staunend am Rand und fragen uns, wie kann so etwas, so schnell entgleisen! Es fehlt der zunehmend Respekt von Seiten der Arbeitnehmer. Denken Sie nicht? Wie viele Vorstellungsgespräch wurden kurzfristig abgesagt oder gar nicht erst angetreten, unentschuldigt? Da beginnt es. Die Leittragenden sind die Pflegebedürftigen, die Kollegen und auf jeden Fall die Gesellschaft als Ganzes. Sie verliert eine würdevolle Pflege und sinnstiftenden Perspektiven für junge Menschen in einem wunderbarem Berufsbild. Verlässlichkeit bedeutet auch, zu einem Vorstellungsgespräch zu erscheinen.

Fazit:

Hören wir bitte auf, ständig von den ‚Opfern Arbeitnehmer‘ zu sprechen. Sie sind längst nicht nur Opfer, sondern mittlerweile ab und zu auch Täter. Mitleid muss keiner mehr haben. Die Gehälter sind fair und der Leistung angemessen. Die meisten Arbeitgeber haben Arbeitsbedingungen geschaffen, die diese Arbeit durchaus attraktiv machen (Oder wie erklären Sie sich die beständig hohen AU-Quoten bei Caritas, Diakonie, AWO, kommunale Schulen und Lehranstalten etc.. Die haben schon länger sehr arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmodelle und trotzdem oder vielleicht genau deswegen sind die AU Quoten dort besonders hoch.). Der Rest ist nicht zu ändern und muss eben sein, 24/7-Pflege, guter und qualitativ hochwertiger Unterricht, der auch statt findet, bleibt. Das Einzige, was noch dringend fehlt, sind Springerpools und grundsätzlich höhere Pflegeschlüssel in der Pflegebranche und eine bessere finanzielle Ausstattung unserer Schulen.

Jetzt gemeinsam anzupacken und im ersten Schritt tatsächlich anwesend zu sein, würde sehr viel Vertrauen durch Verlässlichkeit schaffen. Denn wenn alle da sind, kommt es auch nicht zu den berüchtigten Arbeitsspitzen, die wiederum zur körperlichen und psychischen Überlastung führen. Anwesend zu sein und eben nicht öfter krankgeschrieben zu sein als andere bedeutet, Verlässlichkeit und Verbindlichkeit von Seiten der Arbeitnehmer beizutragen. Es heißt schließlich nicht ohne Grund ‚Arbeitnehmer‘ und nicht ‚Geldnehmer‘.“

Dankesagung:

Liebe und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihr euch Tag für Tag aufarbeitet, um den Kunden, Patienten, Schülern ein lebenswürdiges Leben zu ermöglichen: Ich bin stolz auf euch, ihr seid die Mehrheit! Ihr schuftet Tag für Tag für die mit, die das Ganze nicht so ernst nehmen, wie es sich gehört. Von ❤️ danke! Für euch trete auch ich Tag für Tag wieder an und versuche euch den Rücken frei zu halten.

Anmerkung:

Entschuldigen Sie meine überaus direkten Worte. Wenn ich Sie nicht sage, sagen sie zu wenige. Wir überholen uns in einer weichgespülten Blase der „Arschkriecherei“, die aus meiner Sicht einer Relativierung bedarf! Dringend! Jetzt! Heute! Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich direkt, gerecht und fair bin. Ich überfordere nicht und ich unterfordere nicht. Nur fair möchte auch ich mich behandelt fühlen.

Hier geht es zu einem anderen Beitrag über das was auch notwendig ist, um Pflege weiterzuentwicklen. Generation Z trägt einen wichtigen Beitrag dazu bei:

Hier geht es um Fairness auf beiden Seiten! Um die Verantwortung der Betreiber! Wo ist die Verantwortung der Mitarbeiter?