Der aktuelle ETL-Wirtschaftsmonitor ambulante Pflege lässt wenig Interpretationsspielraum
Zu den ambivalenten Gefühlen auf dem Deutschen Pflegetag 2024, die zum einen die greifbare Angst, Frustration und Hoffnungslosigkeit zeigt und zum anderen eine Aufbruchstimmung zu spüren ist, kommt jetzt ein ernüchternder Bericht der ETL Advision zur Finanzlage der ambulanten Pflege in Deutschland.
Die ThieleBeratung informiert Sie zu diesem Bericht fundiert und wie gewohnt schnell!
Personalkosten explodieren
Die für mich alarmierende Zahl ist die Steigerung der Personalkosten von 2020 67,44% auf 2023 72,03%. Für 2024 sind Werte deutlich über diesen 72,03% zu erwarten. Wahrscheinlich ca. 75% (subjektive Schätzung ThieleBeratung). Ähnlich sieht es Jonas Katthage Leiter der Unternehmensberatung ETL Advison Unternehmensberatung. Herr Katthage tendiert sogar zu 75%+ Personalkosten.
Jedem Unternehmer wird damit klar, dass es an die nackte Existenz geht. Jedem verantwortungsbewussten Politiker, Pflege- und Krankenkassenmitarbeiter muss klar sein, dass auf diesem Wege die Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland wissentlich und akut gefährdet ist. Nicht 20240 oder 2050, nein 2026, 2027, 2030 und die nächsten Jahre. Also heute und morgen!
Gewinne brechen dramatisch
Die Gewinnmargen brechen für nahezu alle Pflegedienst massiv ein. Ein Unternehmerlohn ist so niedrig, dass es kaum noch Freude macht Unternehmer zu sein. Nach meinen persönlichen Erkenntnissen laufen die privaten Betreiber bei 3-10% Gewinn (Unternehmerlohn), die gemeinnützigen bei -5 bis +3%. Kaum noch ein gemeinnütziger Dienst, der Überschüsse erwirtschaftet, die dann reinvestiert werden könnten. Kaum noch ein kleiner privater Pflegedienst, der über 3-5% Gewinn kommt. Eher gut sieht es bei großen Pflegediensten aus. Sie können Synergieeffekte konsequent nutzen und dadurch die Sachkosten aber auch Personalkosten reduzieren.
Sollen die kleinen ambulanten Pflegedienste sterben?
Meine weitere erschreckende Erkenntnis aus dem ETL-Wirtschaftsmonitor ist, dass es offensichtlich einen Trend weg von kleinen und regionalen Versorgungsstrukturen, hin zu großen u.a. überregionalen Versorgungen geht. Große Pflegedienste stehen wirtschaftlich stabiler da als die kleinen und kleinsten Pflegedienste. Ob das gut oder schlecht ist, kann ich heute noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Fakt ist, die „Gemeindeschwester“ vor Ort, kennt die Menschen und hat den Zugang zu den Familien. Hier lassen sich auch in der Zukunft Punkte finden, die Versorgung zumindest etwas sichern lassen. Große Unternehmensstrukturen nutzen den Besitzern und den Pflege- und Krankenkassen. Weniger Verhandlungen bedeuten weniger Streit, weniger Zeitaufwand. Das ist die eine Seite. Die andere ist die persönliche Ebene. Schaffen wir es, wie in den Niederlanden, Strukturen aufzubauen, die durch kleine und vor allem individuelle Organisationseinheiten (Buurtzorg), die Versorgung, Begleitung und Beratung gestemmt bekommen, haben wir eine reale Chance, Pflege in guter Qualität zu sichern. Aber Achtung: Sicherung von Pflege wird wahrscheinlich nicht mehr das gleiche bedeuten, was es bis dato bedeutet hat. Hier müssen wir alle Abstriche machen.
Laut Herr Katthage werden Pflegedienste, die weniger als ca. 100.000€ Umsatz pro Monat generieren, zunehmend in Liquiditätsprobleme geraten. Viele leben und arbeiten mit der aktuellen Liquidität, die sie in den vergangenen Jahren als Rücklagen gebildet haben.
Dekarbonisierung hat auch eine gute Seite
Der, meiner Meinung nach, ruinöse politische Wille, die Wirtschaft aus Deutschland zu vertreiben um das Klima zu retten, hat aus meiner Sicht auch etwas Gutes. Durch die stetig steigenden Arbeitslosenzahlen werden wieder mehr Angehörige die Zeit finden, sich um ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern. Dieser Effekt hält nur so lange an, wie nicht auch die Auswanderungszahlen dramatisch steigen und das tun sie und die Wirtschaft es nicht schafft, mit einer dann klugen Regierung, das Ruder wieder herum zu reißen.
Herr Grote vom bpa sieht in der zunehmenden Bindung von Angehörigen in der Pflege Ihrer Angehörigen eine Gefahr für die Wirtschaft, weil ja Arbeits- und Leistungskräfte dadurch gebunden sind. Er hat damit auch weitestgehend recht. Er verkennt jedoch, dass eine schlechte Nachricht aus der Wirtschaft die andere jagt. VW, Mercedes, BMW und auch Audi haben dramatische Gewinneinbrüche und somit Umsatzsenkungen. Hier stehen tausende ja hunderttausende Jobs auf dem Prüfstand und werden wegfallen. In der restlichen Industrie sieht es nicht anders aus, Stichwort BASF. Unser Land wurde nachhaltig geschädigt und die Folgen werden wir in den nächsten Jahren spüren. Was die Politik nicht schafft, erledigt die hochgelobte Digitalisierung. Wir alle rennen, ohne auf die Konsequenzen zu schauen, dem Trend hinterher. Die Digitalisierung ist zweifellos wichtig und richtig, jedoch ohne ein gesamtgesellschaftliches Konzept führt auch die Digitalisierung zu Massenentlassungen. Jeder zweite oder auch dritte Job könnte wegfallen. Die Studien schwanken dazu. Keine jedoch gibt Anlass zur Hoffnung, dass es nicht schlimm wird. Ambulante Pflege ist natürlich nur bedingt betroffen aber die freiwerden Angehörigen kümmern sich eben zunehmend selber.
Den Rest erledigt die Teuerungsrate. Durch die stetig steigenden Kosten, steigt auch der Zwang der Menschen, Leistungen selber zu übernehmen. Das passt dann auch gut mit der eventuellen Arbeitslosigkeit. Somit werden die SGB XI Budgets zunehmend von der Familie genutzt.
Was ist jetzt zu tun?
- Sofortige IST-Analyse des Pflegedienstes durchführen. Ggf. Controllingsystem einführen und auswerten.
- Produktivität prüfen und ggf. deutlich anheben.
- Jeder Pflegedienst ohne Ausnahme sofort Einzelverhandeln (Heute noch loslegen!); Wichtig an dieser Stelle, nehmen Sie sich die Hilfe und Unterstützung, die Sie benötigen. Das betrifft die meisten der Pflegedienste!
- Pulver trocken halten (Keine Schulden, keine Kredite, keine Ausgaben, die nicht notwendig sind.)
- Management schulen auf Lean- und Leadershipmanagement.
- (Verbände): Politik drängen, die Pflegegeldansprüche der Pflegebedürftigen deutlich anzuheben. (Pflegegeld an Löhne der Mitarbeiter anlehnen)
- (Politik): Pflegesachleistungen erhöhen, die nur von professionellen Anbietern erbracht werden können. (Bsp.: Pflege als professionelle Leistung, Entlastungsleistungen). Herr Katthage meint, dass auch Entlastungsleistungen mit steigenden Engagement der Angehörigen angehoben werden sollte. Es ist dann auch mehr Entlastung notwendig.
Hier geht’s zum Wirtschaftsmonitor (Download):
https://www.etl-advision.de/aktuelles/wirtschaftsmonitor-ambulante-pflege2024
Ihr David Thiele
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