Oder, Wie wir nur gemeinsam in den kleinen Zellen unserer Gesellschaft leben können.
Man kann das Neue nicht durch die Augen des Alten entdecken.
Gerd Gerken
Sozialraumentwicklung und zeitgemäße Pflege
Die Gesundheitsversorgung steht weltweit vor wachsenden Herausforderungen, die durch demografische Veränderungen, den Pflege- und Fachkräftemangel und die zunehmende Komplexität von Erkrankungen verstärkt werden.
In diesem Kontext spielt die Community Health Nurse (CHN) oder früher Gemeindeschwester, eine zentrale Rolle, insbesondere im Zusammenhang mit der Sozialraumentwicklung in der Pflege. Dieses Konzept betont die Bedeutung einer wohnortnahen, präventiven und sozial eingebetteten Gesundheitsversorgung, die die individuellen und kollektiven Bedürfnisse von Gemeinschaften berücksichtigt.
Und da sind wir im 21. Jahrhundert in Deutschland. Eine sich rasant transformierende Gesellschaft, die Schwerpunkte und Aufgaben in anderen Herausforderungen sieht, als die Gesellschaft noch vor 10-20 Jahren.
System am Ende
Machen wir uns nichts vor, Gesellschaft, Pflege und Finansystematik ist weitestgehend am Ende. Auf dem hochgestochen- dekadenten Niveau wird Pflege auf Dauer nicht mehr aufrecht erhalten werden können. In dieser schwächelnden Wirtschaft, am Rande einer Stagflation und Depression, werden die notwendigen Finanzmittel nicht mehr in dem Umfang zur Verfügungstehen, wie gewohnt und wie gebraucht.
Wie haben uns tatsächlich eingebildet, dass wir anstatt für Pflegequalität durch mehr Personal und bessere Bedingungen zu sorgen, wir durch die Überwachung, Prüfung und Kontrolle von Pflege, die Qualität verbessern oder gar maximieren. Wir geben viel Geld für Pflege aus, leider von der Menge zu viel für Prüfungen und Verwaltung und zu wenig für die Menschen. Typisch deutsch. Wenn wir nicht in einem Überwachungssystem aufwachen wollen, siehe China, dann müssen wir jetzt deutlich umsteuern.
Sozialraumentwicklung in der Pflege
Die Sozialraumentwicklung in der Pflege fokussiert darauf, die Lebensumstände von Menschen in ihrer jeweiligen Umgebung zu verbessern und dabei konsequent auf die vorherschenden Ressourcen effizient und bedarfsgerecht zuzugreifen. Dabei ist das Minimalptinzip das Zeichen der Zeit.
Minimal steht für maximale Nachbarschafts- und Sozialraumpflege und minimale Profipflege und Eingriff von Außen.
Sie betrachtet den Raum, in dem Menschen leben, als zentralen Einflussfaktor auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Ziel ist es, die vorhandenen Ressourcen eines Sozialraums zu nutzen und auszubauen, um eine nachhaltige, gesundheitsfördernde Infrastruktur zu schaffen. Hier gehören MVZ und die Community Health Nurse als wesentliche Faktoren dazu.
MVZ als Spinne im Netz
Pflege lässt sich zukünftig nur im kleinen organisieren, nicht im Großen. Das dass nicht funktioniert sehen wir heute. Bund und Länder überbieten sich in Bezug auf Politikfehler und Verweise auf Nichtzuständigkeiten.
Die Verbindung von Pflege und Sozialraumentwicklung zeigt sich in mehreren zentralen Ansätzen:
Partizipation und Einbindung der Gemeinschaft: Hilfebedürftige werden aktiv in die Planung und Umsetzung von Pflege- und Gesundheitsprojekten einbezogen. Dies stärkt das Gemeinschaftsgefühl und erhöht die Akzeptanz von Maßnahmen.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Pflegekräfte, Sozialarbeiter, Ärzte und andere Akteure arbeiten gemeinsam daran, eine umfassende Unterstützung anzubieten, die den sozialen und gesundheitlichen Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht.
§43b Betreuungskräft als Puffer
Ganz wichtig, vergessen wir die §43b SGB XI Kräfte im Sozialraum nicht. Sie erbringen niederschwellige Betreuungsleistungen und sind damit wesentliche Puffer zwischen Angehörigen und professionellen Kräften. Auch hier habe ich Interviews mit solchen Betreuungskräften geführt. Sie bieten vielen Menschen Möglichkeiten zu helfen und dabei einen gewissen Teil ihres Lebensunterhaltes zu verdienen. Der Bedarf ist groß aber auch die hier zur Verfügung stehenden Menschen! Nutzen wir sie!
Prävention und Gesundheitsförderung: Durch frühzeitige Interventionen in Sozialräumen kann Pflegebedürftigkeit reduziert oder hinausgezögert werden. Beispielsweise können Bewegungsprogramme oder Nachbarschaftsnetzwerke älteren Menschen helfen, länger selbstständig zu bleiben.
Ziel: So lange wie möglich ambulant leben!
Synergien zwischen Community Health Nurse und Sozialraumentwicklung
Die Arbeit von Community Health Nurses und die Prinzipien der Sozialraumentwicklung ergänzen sich hervorragend. CHNs sind aufgrund ihrer Ausbildung prädestiniert, soziale und gesundheitliche Faktoren in einem ganzheitlichen Ansatz zu betrachten.
Hier mein Ansatz:
So viele Pflegefachkräfte haben den Beruf verlassen, so viele Pflegefachkräfte können den Beruf nicht mehr richtig ausführen, weil sie sich kaputt gearbeitet haben. In der Rolle der Community Health Nurse (Gemeindeschwester) können all diese Kräfte eine neue Aufgabe finden.
Sie sind:
– Netzwerker,
– Kommunikator,
– Vermittler,
– Koordinatorin und
– Zuhörer.
Sie sind keine praktischen Pflegekräfte. Sie müssen nicht schwer pflegen, dass machen im Bedarfsfall weiterhin die ambulanten Pflegedienste.
Voraussetzung aus meiner Sicht:
- Mindestens 20 Jahre Berufserfahrung
- Netzwerk- und Kommunikationsstark
- Tief im jeweiligen Sozialraum persönlich verwurzelt
Weitere Aufgaben einer CHN:
Sozialräume analysieren: Mit Methoden wie Gesundheitsberichten oder Bedarfserhebungen erfassen CHNs die spezifischen Herausforderungen und Ressourcen eines Sozialraums.
Ressourcen aktivieren: CHNs fördern die Vernetzung von Akteuren und Initiativen, beispielsweise durch die Zusammenarbeit mit Nachbarschaftsvereinen oder kommunalen Gesundheitszentren.
Nachhaltige Lösungen entwickeln: Maßnahmen, die durch CHNs im Kontext der Sozialraumentwicklung initiiert werden, zielen darauf ab, langfristige Strukturen für eine gesundheitsfördernde Umgebung zu schaffen.
Herausforderungen und Perspektiven
Trotz der Potenziale stehen die Integration von CHNs und die Sozialraumentwicklung vor einigen Herausforderungen:
Fachkräftemangel: Der Einsatz von CHNs setzt eine ggd. spezialisierte Fortbildung der Pflegefachkraft und ausreichend Personalressourcen voraus, die derzeit nicht flächendeckend verfügbar sind.
Finanzierung: Langfristige Investitionen in Prävention und Sozialraumentwicklung sind erforderlich, stoßen aber oft auf Budgetbeschränkungen.
Akzeptanz und Kooperation: Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen und Institutionen erfordert ein Umdenken und die Bereitschaft, traditionelle Rollen zu hinterfragen. Hier bedarf es der gesetzlichen Grundlagen (Pflegeberufe- und Pflegekompetenzgesetz).
Fazit
Die Community Health Nurse und die Sozialraumentwicklung/Caring Community in der Pflege sind zukunftsweisende Ansätze, um die Gesundheitsversorgung an die Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen. Durch eine stärkere Fokussierung auf Prävention, Gesundheitsförderung und eine bessere Nutzung sozialer Ressourcen können sie dazu beitragen, die Lebensqualität in den Gemeinden zu verbessern und das Gesundheitswesen langfristig zu entlasten. Eine stärkere Förderung und Integration dieser Konzepte ist entscheidend, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Pflege gerecht zu werden.
Die Ressourcen sind da, sie müssen nur effizient gehoben werden!